(openPR) Seit dem 02.11.2020 gilt in Deutschland der sog. „Lockdown light“. Im Zuge dessen wurden alle Kultur- und Freizeitbetriebe geschlossen. Die Familie Dietel-Sing betreibt in Kempten (Allgäu) mit dem Colosseum Center ein Kino mit sieben Sälen sowie dem Restaurant Starlet eine Gaststätte.
Die Filmtheaterbetriebe Dietel GmbH haben am 31.10.2020 Popularklage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) erhoben. Der zugehörige Eilantrag ist mit der Entscheidung vom 17.11.2020 (Az.: Vf. 90-VII-20) abgelehnt worden. Bereits am 12.11.2020 hat das Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag der Familie Dietel-Sing abgewiesen. (Az.: 1 BvR 2530/20)
„Wir haben mit dieser Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs gerechnet“, so Andrea Dietel-Sing, Geschäftsführerin der Filmtheaterbetriebe Dietel. „Es hätte uns schon sehr gewundert, wenn der Bayerische Verfassungsgerichtshof anders entschieden hätte als das Bundesverfassungsgericht. Die Entscheidung müssen wir nun akzeptieren und auf die Politik hoffen. Wir werden den Lockdown sicherlich wirtschaftlich überleben, auch wenn ich die versprochenen „bis zu 75% des Novemberumsatzes“ immer noch für ein Märchen halte. Für die Kultur im Freistaat sind die Schließungen aber eine riesige Katastrophe. Es bleibt zu hoffen, dass die Politik in absehbarer Zukunft einlenkt und wieder einen Freizeitbetrieb mit verschärftem Hygienekonzept zulässt.“
Der Bayerische Verfassungsgerichthof hatte ähnlich wie das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Maßnahmen nicht „offensichtlich“ verfassungswidrig seien, sondern das Ergebnis im Hauptsacheverfahren offen. Bei Eilanträgen wird in solchen Fällen abgewogen, ob das Interesse am Erhalt der Norm bis zur Entscheidung in der Hauptsache das Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Außerkraftsetzung überwiegt. Im Fall des Lockdowns sei aber der Gesundheitsschutz höher zu bewerten, so dass die Interessenabwägung zu Ungunsten des Kino- und Gaststättenbetreiber ausgeht.
Pia Sing, designierte Nachfolgerin von Andrea Dietel-Sing, sieht es ähnlich. „Natürlich ist die Lage frustrierend. Der Staat ist mit einer Notlage überfordert und sucht sich einen Sündenbock, den man präsentieren kann. Es gibt nicht einmal einen Anhaltspunkt, dass die erneute Schließung von Kulturstätten und Gastronomie die Lage verbessern könnte. Im Gegenteil befürchte ich, dass die Leute sichere Freizeitaktivitäten als eine Art Druckventil brauchen. Nimmt man Ihnen dieses, werden sie sich Alternativen suchen. Das jemand aber auf einer illegalen Corona-Party Abstände einhalten würde oder gar einen Mund-Nase-Bedeckung tragen, braucht man mir nicht zu erzählen.“
„Wir haben jetzt alles juristisch Mögliche versucht“, so Matthias Sing, der die beiden Gerichtsverfahren für seine Familie betreute. „Zufrieden bin ich natürlich nicht. Aber wenigstens haben jetzt zwei Verfassungsgerichte sich der Sache angenommen. Es war mir zumindest ein Anliegen, dass die doch sehr massiven Grundrechtseingriffe mindestens im Eilverfahren geprüft werden. Immerhin auf juristischer Seite freut mich, dass wir wohl zur Rechtsfortbildung beigetragen haben, auch wenn nicht zu unseren Gunsten. Wir hoffen, dass es zu einer Hauptsacheentscheidung in beiden Verfahren kommen wird. Denn leider besteht die gesamte Corona-Rechtsprechung der Verwaltungs- und Verfassungsgerichte nur auf naturgemäß oberflächlichen Eilentscheidungen. Sollte es zu einem Dritte Lockdown kommen, wäre es aber wichtig, dass die Rechtslage umfassend geklärt ist.“