(openPR) Es ist fast wie Magie. Nur eine Glaswand trennt das Büro der Marketing-Abteilung vom restlichen Theater-Gebäude. An dieser Glaswand ziehen jeden Tag Menschen vorbei: sie rollen Kleiderständer zum Aufzug, schieben Requisiten aus dem Lager in Einkaufswagen vorbei, Balletttänzer schlürfen in Plüschschuhen zur Kostümabteilung, Gärtner gießen die Palmen im Wintergarten. Nichts davon nimmt man in dem Glaskasten wahr, denn der Blick ist meist auf Schreibtisch oder Bildschirm gerichtet. Doch plötzlich spürt man etwas, blickt auf und sieht Julia Leinweber hinter der Glasscheibe stehen. Sie winkt kurz mit einem Kaffeebecher in der Hand, lächelt und schon ist sie wieder weg. Nur ein kurzer Moment, eine kleine Geste – doch alles sehr intensiv. Es ist diese Intensität, mit der die Schauspielerin, die seit 2015/2016 zum festen Ensemble gehört, jede Rolle verkörpert. Seit Beginn der Spielzeit sind es vor allem starke Frauenrollen, die sie spielt.
Sie heißen Millie, June und Kunigunde – was sie verbindet ist, dass alle drei eine Vision haben. Millie reist aus der Provinz nach New York, um hier ihre Zukunft erfolgreich zu gestalten. Der Plan geht auf. June will die Bühnen der Welt mit einer der größten Rocklegenden erobern. Der Plan geht auf. Kunigunde sieht ihr Leben an der Seite eines Grafen auf dessen Schloss. Der Plan geht nicht auf. Macht aber nichts, denn so steht es ja auch im Text von Heinrich von Kleist. Dafür geht der Plan von Julia Leinweber auf, die all diese Frauenrollen verkörpert. Bereits mit 18 Jahren fasst sie den Plan, Musical-Darstellerin und Schauspielerin zu werden. „Ich wusste immer: das muss ich machen, das ist mein Ding. Aus diesem Grund hatte ich auch keinen Plan B, das musste einfach klappen!“, erzählt Julia. Sie packt die Koffer, verlässt ihre Heimatstadt Frankfurt am Main, um in München eine Ausbildung als Musicaldarstellerin zu absolvieren – ihre Eintrittskarte in die Welt der Musicals. Ihr erstes Engagement ist in dem Musical-Klassiker „West Side Story“ am Theater Altenburg in Gera. Hier spielt sie die Rolle der Anita. Auftritte in der Musical-Produktion „Mamma Mia“ in Stuttgart und Berlin folgen. Mit der Produktion „Man in Black“ geht sie auf Tournee. Im Jahr 2010 schicken ihr Freunde die Ausschreibung von „West Side Story“ am Theater Hof mit dem Vermerk „Julia, das wäre doch etwas für dich!“ zu. Regie führt Reinhardt Friese, damals noch nicht Intendant. Julia schlüpft in die Rolle der Rosalia.
Am Gärtnerplatztheater in München, am Schauspielhaus in Stuttgart, an der Staatsoperette Dresden, an der Volksbühne Frankfurt und in Berlin spielt sie wichtige Partien in Musicals und Theaterproduktionen. Einige Jahre später ist sie zufällig am Theater Hof, sitzt in der Kulturkantine, trinkt einen Kaffee – und trifft Reinhardt Friese wieder, der hier inzwischen Intendant ist. „Reinhardt fragte mich, hast du nicht Lust, bei der „Rocky Horror Picture-Show“ mitzumachen. Ich war sofort dabei!“, erzählt Julia. Sie bleibt in Hof, wird sesshaft und zeigt ihr Multitalent als Darstellerin in verschiedenen Genres – Musical, Konzert und klassisches Schauspiel, alles deckt sie gleichermaßen kompetent ab. In die jetzige Spielzeit startet sie gleich mit einer Powerrolle: In dem Musical „Höllisch moderne Millie“ verkörperte sie Millie, eine junge Frau, die vom Land kommt und sich in New York einen Millionär angeln will. Eine ganz besondere Rolle, die gesangstechnisch vielseitig und anspruchsvoll zugleich ist: Mal singt sie in Operettenlagen, mal Powerballaden und wechselt dann wieder in einen frechen Gesang. „Die Millie ist eine ganz bezaubernde Rolle. Eine junge Frau, patent und mit einem klaren Ziel vor Augen“, erzählt die Schauspielerin und fügt hinzu: „Ich musste die Millie oft vor Kollegen verteidigen. Viele sagen mir, die ist doch naiv. Aber ihr Plan geht doch auf.“ Wie es sich anfühlt, wenn einen der Strom der amerikanischen Big Cities mitreißt, hatte Julia am eigenen Leib schon erfahren, als sie in Los Angeles war. „Ich hatte das Gefühl, die Stadt verschluckt mich“, erzählt sie. Den American Spirit nahm sie mit für ihre nächste Rolle: June Carter – wieder eine starke Frau, aber auch eine ganz neue Herausforderung. An der Seite von Volker Ringe verkörpert Julia Leinweber die zweite Ehefrau der Rocklegende Jonny Cash in der Produktion „Ring of Fire – ein Abend mit Johnny Cash“ auf der Studiobühne am Theater Hof. Das Konzert ist gleichzeitig eine „never-ending story“, da jede Show sofort nach Bekanntgabe des Termins wieder ausverkauft ist – die vorerst letzte Vorstellung soll am 13. Juli 2019 sein.
June Carter war die große Liebe von Johnny Cash – die starke, selbstbewusste und kreative Frau an seiner Seite, ohne die er viele Tiefs in der Karriere nicht überstanden hätte. Als die beiden Musiker sich kennenlernen, sind beide noch verheiratet. Aber ihre Liebe ist stärker als alles andere, sie werden ein Paar und erobern gemeinsam die großen und kleinen Bühnen der Welt. Die Ehe übersteht Alkohol, Drogen und Entziehungskuren von Johnny. Keiner zweifelt daran, dass es Johnny sein wird, der aufgrund seines exzessiven Lebensstils zuerst aus dem Leben treten wird. Doch es kommt anders. June stirbt am 15. Mai 2003 im Alter von 73 Jahren - wenige Monate vor Johnny. Es ist einer der bewegendsten Augenblicke in dieser Show: Wenn Julia auf der Bühne ihren Partner ein letztes Mal umarmt und dann mit einem leisen Lächeln abtritt, sorgt das für Gänsehaut. Um sich auf die Rolle vorzubereiten, hat Julia viele Interviews mit June Carter gesehen. „Ich habe versucht, Worte und Gesten zu finden für diesen Zauber zwischen June und Johnny“, erzählt sie.
Seit Februar spielt sie in Kleists „Käthchen von Heilbronn“, die Rolle der Kunigunde von Thurneck, die durch ihre gleichzeitig rätselhafte und verführerische Aura alle Männer in ihren Bann zieht. Gleichzeitig schreckt sie vor nichts zurück, um ihr Ziel zu erreichen. Während sie in „Höllisch moderne Millie“ eine Sympathieträgerin spielt, ist sie als Kunigunde eher eine Antagonistin. June Carte und Kunigunde – zwei ganz unterschiedliche Rollen, die Julia Leinweber gleichzeitig überzeugend verkörpert. Sie hat ein Ritual, das ihr hilft, mit dem Stress fertig zu werden. Am Tag der Vorstellung macht sie sich eine Liste mit den Dingen, die zu erledigen sind. „Wenn ich dann das letzte Häkchen gesetzt habe, bin ich beruhigt und weiß, jetzt kann es losgehen“, berichtet sie. Wenn sie auf der Bühne steht, ist sie immer noch Julia Leinweber, die dort steht und die Figur von Millie, June oder Kunigunde aus sich heraus schöpft und sie durch ihre eigenen Erfahrungen und Emotionen lebendig werden lässt. „Dann springt auch der Funke zum Publikum über, dann wird das Theater zu einem magischen Ort“, weiß die Darstellerin. Info: Dernière „Käthchen von Heilbronn“ am Sonntag, 17. März, um 19.30 Uhr im Großen Haus. „Ring of Fire“ am 13. Juli 2019.










