(openPR) Motto des Christopher Street Day spornt zum Kampf gegen Diskriminierung an, blickt aber auch auf 40 Jahre homosexuelle Bewegung zurück.
An die Stelle des kontroversen „Ich glaube...“, unter welchem bei Christopher Street Day 2008 diskutiert, gekämpft, gefeiert und demonstriert wurde, folgt in diesem Jahr „macht Mut!“.
Dabei wird auf eine lange Tradition innerhalb der CSD Motto-Slogans gesetzt: Doppeldeutigkeit. Wie schon bei „Stuttgart ist bunt“, „Vielfalt bewegt“ oder eben „Ich glaube…“ sollen verschiedene Interpretationsmöglichkeiten den Zugang zum Motto, dem CSD an sich und den schwul-lesbischen Themen im allgemeinen erleichtern.
„macht Mut!“ ist dabei Projektionsfläche für vieles: die Dynamik, die aus dem CSD selbst und der damit verbundenen Aufmerksamkeit für homosexuelle Probleme erwächst; die bisher erreichten Erfolge eines 40 Jahre andauernden Kampfes um Gleichberechtigung; aber auch den immer noch vorhandenen Drang nach weiteren Veränderungen in Gesellschaft und Politik, wenn es um schwule oder lesbische Lebensformen geht.
„Uns war wichtig, dass wir im bedeutenden Jubiläumsjahr ein Thema finden, das sowohl den Blick zurück auf 40 Jahre schwul-lesbische Bewegung ermöglicht, als auch ein Ansporn für die noch offenen Punkte beim Streben nach Gleichberechtigung ist“, erläutert Christoph Michl, Vorstand und Gesamtleiter des CSD Stuttgart, den weitrechenden Anspruch der Organisatoren an das Motto. „Dabei sind wir unserer Linie treu geblieben: kurz, prägnant, deutsch, deutlich, doppeldeutig. Die kommenden Monate werden zeigen, ob uns das gelungen ist“, ist Michl gespannt auf die Umsetzung der vielen Beteiligten innerhalb der CSD Woche (24.07.-02.08.09) sowie die Reaktionen aus der Gay-Community, Bevölkerung und Politik.
CSD macht Mut
Schon eine Veranstaltung wie der CSD Stuttgart selbst „macht Mut!“. Denn in jedem Jahr gehen allein in der Landeshauptstadt über 150.000 Menschen auf die Straßen, um bei der Polit-Parade Flagge für eine tolerantere Gesellschaft zu zeigen. Über 2.000 Lesben, Schwule und deren Unterstützer/innen haben den Mut, aktiv in der Demonstration mit zu laufen. Diese immer wieder überwältigende Menschenmenge ist jedes Jahr aufs Neue eine eindeutige und sehr klare Ermutigung für ein freies, akzeptiertes Leben von homosexuellen Mitbürgerinnen und Mitbürgern.
Und das nicht nur für jene, die erhobenen Hauptes mit marschieren, sondern auch für die, die den wichtigen Schritt des eigenen Coming Outs bisher nicht vollzogen haben. Weil bisher der Mut fehlte oder weil die Lebensumstände ein offenes Umgehen mit der eigenen Sexualität noch immer nicht zulassen.
Die Gay-Community wird sich durch den CSD bewusst, dass man mit seinen Ängsten, Nöten, aber auch seinem Stolz auf das eigene Ich, nicht allein steht. Der CSD hat damit Signalwirkung – bei Lesben und Schwulen, bei Heterosexuellen, in Stadt, im Land, im Bund und manchmal auch über Deutschlands Grenzen hinaus.
Geschichte macht Mut
Mut begleitet Lesben, Schwule und Transgender schon seit vielen Jahren. Die Homosexuellen, die nach jahrelanger Schikane, willkürlichen Razzien, offener Diskriminierung, unverhohlenem Hass und anhaltender Angst zum ersten Mal öffentlich aufbegehrt haben – sie waren mutig!
Damals, am 27. Juni 1969 in der New Yorker Bar „Stonewall Inn“ in der mittlerweile berühmten Christopher Street, nahmen diese Menschen all ihren Mut zusammen und wehrten sich gegen die unsäglichen Übergriffe der örtlichen Polizei. Was sich daraus ableitete, ist nichts Geringeres als die weltweite homosexuelle Bewegung und der Kampf für ein gleichberechtigtes Leben.
Die Erinnerung an diesen denkwürdigen Tag nährt bis heute den Mut von Lesben und Schwulen auf der ganzen Welt. Die damaligen Geschehnisse lassen uns weiterhin nach Veränderung und Gleichberechtigung streben. Aus dem Mut dieser Frauen und Männer erwuchs erst die Chance auf unser heutiges offenes Leben. Und aus unserem Mut, weiterzukämpfen und für eine nach allen Seiten offene Gesellschaft einzustehen, wird sich auch in Zukunft ein gemeinschaftliches Zusammenleben mit der größtmöglichen Akzeptanz ableiten. Sofern wir uns der Geschichte erinnern und weiter entschlossen für unsere Sache einstehen.
Veränderung braucht Mut
Aber auch heute, genau 40 Jahre nach den „Stonewall Inn“-Revolten, steht es noch immer nicht in allen Bereichen zum Besten mit der gesellschaftlichen und politischen Akzeptanz von Lesben und Schwulen. Zwischen Großstädten und ländlichen Gebieten herrscht noch immer ein eklatantes Toleranz-Gefälle. Das Lebenspartnerschaftsgesetz weißt weiterhin verheerende Lücken auf – beispielsweise beim Steuerrecht oder bei längst überfälligen Angleichungen auf Länderebene. Familie findet nach dem Willen vieler konservativer Kreise auch heute noch ohne homosexuelle Menschen statt. Denn: Adoption wird Lesben und Schwulen auch 2009 größtenteils verwehrt. In Schulen ist Akzeptanz und offene Aufklärung über in Deutschland bereits gelebte Lebensformen noch immer kein Thema, das ohne Scheuklappen behandelt wird. Lehrmaterial oder gar die Lehrerausbildung beschäftigen sich mitnichten ausreichend mit dem Thema Homosexualität. Kein Wunder, dass „schwul“ mittlerweile wieder das Schimpfwort Nummer eins an deutschen Schulen ist. Ein Antidiskriminierungsgesetz existiert zwar, aber nach dem anfänglichen Hype und vor allen Dingen der übertriebenen Hysterie darum, ist es nun still um die Novelle geworden. Dies lässt nichts Gutes für die Anwendung im täglichen Leben erahnen.
Gegenseitiges Mut machen!
Es gilt also gemeinsam allen Mut zusammenzunehmen und beherzt weitere, dringend notwendige Veränderungen nicht nur anzumahnen, sondern aktiv für diese einzutreten.
Das Handeln jedes Einzelnen und der gegenseitige Respekt voreinander müssen jeden Tag aufs Neue angewendet, hoch gehalten und wertgeschätzt werden. Hier sind wir alle gemeinsam im täglichen Zusammenleben – egal ob in der Familie, am Arbeitsplatz, im Verein oder auf der Straße – gefordert. Uns immer wieder daran zu erinnern und das eigene Leben danach auszurichten erfordert die Tugend Mut.
Gleichberechtigung und Akzeptanz – auch das lehrt die Geschichte – sind kein unumstößliches, unveränderbares Gut. Nicht weil einmal erlangt, sind sie damit auch automatisch fest und für immer in unserer Gesellschaft verankert. Wir sind daher aufgefordert, den Stellenwert und den Fortschritt in Sachen Gleichberechtigung und Akzeptanz immer wieder festzustellen, zu hinterfragen und – wo nötig – weiterhin mit Nachdruck einzufordern.
Für all das steht der CSD Stuttgart unter dem diesjährigen Motto „macht Mut!“ ein. Die Zeit vom 24. Juli bis 02. August 2009 wollen die Organisatoren daher vor allen Dingen zum gegenseitigen Mut machen nutzen. So ist für CSD Vorstand Christoph Michl klar: „Wir dürfen stolz sein auf das bisher Erreichte.“ Er macht aber gleichzeitig klar: „Wir müssen weiterhin mutig sein, um unseren eingeschlagenen Weg gemeinsam fortzusetzen.“
Weitere Informationen zum Motto und den zahlreichen Veranstaltungen im großen Jubiläumsjahr des CSD Stuttgart auf www.csd-stuttgart.de.