(openPR) (Nürnberg/Hagen/Radolfzell – 23.07.2009) 35 verstorbene Delfine hat der Nürnberger Tiergarten mit dem gestrigen Tod des Delfins Eva seit Bestehen des Delfinariums zu verzeichnen. Einen Tag zuvor war der Seelöwe Mike in der Paarungszeit an Herzkreislaufversagen gestorben. Nach Angaben der Tiergarten-Pressesprecherin Nicola Mögel war der Seelöwenbulle Mike mit drei „Haremsdamen“ (O-Ton Mögel) und einem Seelöwenbaby zusammen mit den sieben Delfinen untergebracht. Die Organisationen Wal- und Delfinschutz-Forum (WDSF) und ProWal kritisieren die Todesfälle als vermeidbar und fordern den Rücktritt des Tiergartendirektor Dag Encke und des verantwortlichen Bürgermeisters Horst Förther.
Nach der Winterpause wurden die Tiefbauarbeiten im Frühjahr 2009 für den Bau der 24-Million-Delfin-Lagune wieder aufgenommen. Bereits bei Baubeginn im September 2008 wurde das Stresshormon Kortisol mit erhöhten Werten von 4 bis 5 ng/ml (Normalwert bis 1ng/ml) bei Delfinen im Tiergarten festgestellt. Daraufhin transferierte die Tiergartenleitung am 28.09.2008 vorsorglich drei jüngere Delfine(Anke geb. 1983 - Wildfang, Nynke geb. 1983 – Wildfang und Naomi geb. 1998 - Nachzucht) in das Freiluftgehe des Delfinariums Harderwijk in Holland. Im November 2008 hatte Bürgermeister Förther zugegeben, dass aufgrund der begonnenen Bauarbeiten „die damit verbundenen Erschütterungen einige der Delphine beunruhigten“, die Stresswerte seit Ende Oktober jedoch wieder unter 1 ng/ml gelegen hätten.
Das Wal- und Delfinschutz-Forum (WDSF) hatte die Umweltbehörde und den Tiergarten der Stadt Nürnberg mehrfach darauf hingewiesen, dass der Baulärm einen gesundheitsschädlichen Einfluss auf die verbleibenden Delfine hat. Es wurde der Transfer sämtlicher Delfine nach Harderwijk gefordert. Durch die Schließung des Delfinariums im Heide-Park Soltau wurden jedoch noch zwei zusätzliche Delfine (Joker und Arni) in Nürnberg aufgenommen. Man wollte seitens des Tiergartens offensichtlich nicht auf die lukrativen Zuschauereinnahmen verzichten und auf die bereits gebuchten Einnahmen aus der Delfintherapie mit 2500 Euro pro Einheit.
So verblieben mit der verstorbenen Eva sieben Delfine in den relativ kleinen Betonbecken zusammen mit den fünf Seelöwen, wobei die Haltungsbedingungen des Bundesministeriums auch zur Vermeidung von Stresssymptomen eine Beckenoberflächte für sieben Delfine von 550 m² und für fünf Seelöwen von 100m², also insgesamt 650m², vorschreiben. Tatsächlich verfügt das Delfinarium in Nürnberg aber nur über eine Beckenoberfläche von 594m², ohne die nicht zu berücksichtigenden Schleusen und Hebeanlagen. Ohne die relativ kleinen Ruhebecken standen den insgesamt 12 Tieren nur 432m² Fläche zur Verfügung.
Das WDSF weist darauf hin, dass der verstorbene Seelöwe Mike während der Paarungszeit aufgrund eines Gutachten des Universitäts- Institutes für Biowissenschaften auf jeden Fall hätte getrennt gehalten werden müssen. Seelöwenbullen, wie der verstorbene Mike, sind während der Paarungszeit sehr aktiv und partiell aggressiv. Das intensive Befruchtungsverhalten hat nicht nur den Seelöwenbullen selbst umgebracht, sondern vermutlich auch das sensible und relativ alte Delfinweibchen Eva. Sehr wahrscheinlich hat es auch aggressive Bedrängungsversuche des Zuchtbullen bei der Delfindame Eva gegeben, die den Stress nicht überlebt hat.
„Der Tod beider Tiere war vermeidbar“, sagt WDSF-Geschäftsführer Jürgen Ortmüller. „Abgesehen davon, dass die Zucht der Delfine aufgrund der vielen Todesfälle bisher nicht nachhaltig war, ist die Haltung in relativ kleinen Betonbecken eine Tierquälerei. Daran ändert auch das geplante Betonbecken der sogenannten „Delfin-Lagune“ nichts. Eine Lagune hat üblicherweise einen offenen Zugang zum Meer. Der Seelöwe Mike hätte während der Paarungszeit separiert werden müssen und die Delfine mussten während der Bauzeit sämtlich transferiert werden. Wenn das aufgrund des relativ hohen Alters des verstorbenen Delfins nicht möglich gewesen ist, hätte man eben den Neubau zugunsten des Lebens der sensiblen Meeressäuger aufschieben müssen. Der Steuerzahler hätte es in diesen schwierigen Zeiten wahrscheinlich auch gedankt.“
Der jetzt verstorbene ca. 40 Jahre alte Delfine Eva war ein Wildfang aus Mexiko und hätte weiterhin der Zucht dienen sollen. Das WDSF und Andreas Morlok von ProWal befürchten, dass auch im Hinblick auf die Delfin-Lagune nun weitere Wildfänge nach Nürnberg kommen, zumal jeder zweite Delfin in den Delfinarien Europas ein Wildfang ist und die Zuchtbemühungen versagt haben.
Das WDSF kritisiert ebenfalls, dass der Tiergarten bereits im November 2008 ein Gutachten beim Institut für Zoo- und Wildtierforschung wegen der Todesserie der Delfine in Auftrag gegeben hatte und bis heute die entsprechenden Ergebnisse nicht veröffentlicht wurden, obwohl es bereits im Frühjahr vorliegen sollte. „Auch das jetzt angekündigte Gutachten wird vermutlich wieder in der Versenkung verschwinden, wenn das öffentliche Interesse abgeklungen ist – bis zum nächsten programmierten Todesfall“, mein WDSF-Chef Ortmüller.--













