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Unstatistik des Monats: Wenn der Weihnachtsmann evidenzbasiert entscheiden müsste

17.12.202510:42 UhrWissenschaft, Forschung, Bildung

(openPR) Was wäre, wenn der Weihnachtsmann – sofern es ihn denn wirklich gibt – seine Entscheidungen an wissenschaftlichen Standards messen müsste? Was er wem unter welchen Weihnachtsbaum legt, hat schließlich großen Einfluss auf Nachhaltigkeit, Gesundheit und psychisches Wohlbefinden. Er urteilt über „liebe“ und „böse“ Kinder und trägt maßgeblich zum wirtschaftlichen Wohlstand bei. Eine Autorität, die eine solche gesellschaftliche Verantwortung trägt, dürfte im Grunde keine Bauchentscheidungen treffen, sondern sollte die vom Bundesgerichtshof kürzlich geforderten Evidenzansprüche erfüllen: Regulierende Eingriffe – ob durch das Gesetzbuch oder die Wunschliste – müssen auf methodisch hochwertigen „statistischen Daten oder vergleichbar validen Fakten“ beruhen, nicht auf Annahmen, Willkür oder Moral.

Doch die weihnachtliche Studien- und Statistiklandschaft macht es dem Weihnachtsmann alles andere als einfach. Bereits beim Geschenkkauf führen Studien ihn in die Irre. Eine YouGov-Umfrage behauptet, jeder Fünfte kaufe online bei den Plattformen Temu oder Shein – und suggeriert damit, dass für diese Käufer bei Geschenken eher der Preis zählt als Qualität oder gar Nachhaltigkeit. Eine NIM-Studie berichtet hingegen nur von jedem Siebten.

Geschenkkauf: Widersprüchliche Zahlen zu Online-Shopping

Bei den genannten Stichprobengrößen der Studien sind mehrere Prozentpunkte Fehler normal. Die Differenz läge im statistisch Erwartbaren – wenn es sich denn um vergleichbare Messverfahren und Zufallsstichproben handeln würde. Doch die Studien nutzen nur Selbstauskünfte aus selbst rekrutierten Panels, die auf verschiedenen Grundgesamtheiten beruhen, und stellen auch noch unterschiedliche Fragen. Menschen erinnern sich zudem schlecht an vergangene Einkäufe und schätzen zukünftige falsch ein. Belastbare Evidenz über Geschenkbudgets und Qualitätsstandards kann der Weihnachtsmann daraus jedenfalls nicht ableiten.

Beim Thema Nachhaltigkeit wird es nicht besser. Immerhin 20 Prozent der Fisch-Esser bevorzugen beim Weihnachtsmenü den „nachhaltigeren und heimischen Karpfen“. Dabei muss sich der Leser der Studie im Auftrag von MSC – einer Organisation, die ein Gütesiegel für nachhaltigen Fisch vergibt – selbst ausrechnen, dass dies lediglich 7,4 Prozent aller Befragten entspricht, etwa halb so viele wie die vegetarischen und veganen Weihnachtsesser. Eine girocard-Umfrage berichtet, fast die Hälfte der Deutschen kaufe bevorzugt im stationären Handel – nutzt dafür aber ein selbst selektiertes Online-Panel. Eine Studie im Auftrag des Verbands natürlicher Weihnachtsbaum e.V. findet heraus, dass der natürliche Weihnachtsbaum die „Nummer eins in deutschen Wohnzimmern“ sei, denn er sei „echt, nachhaltig und unersetzlich“. Weil die Auswahl der Antwortoptionen, die Fragenformulierung und die Selbstselektion der Teilnehmer die Ergebnisse beeinflussen, kann der Weihnachtsmann nur eines mit Sicherheit sagen: Dass es vor Verzerrungen in diesen Daten nur so wimmelt.

25.000 Insekten im Baum: Wenn Extremwerte Schlagzeilen machen

Apropos „wimmeln“ und „natürlicher Weihnachtsbaum“: In norwegischen Untersuchungen zeigte sich, dass sich in einem Baum „bis zu 25.000 Insekten“ tummeln könnten. Keine der gefundenen Insekten sind aber ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko. Die meisten von ihnen überleben nicht einmal den Transport. Aber wer will sie schon im Wohnzimmer, geschweige denn auf seinem Schlitten haben? Zum Glück sind solche Extremwerte definitionsgemäß selten und sagen nichts über Normalfälle aus. Eine saubere Aussage bräuchte vielmehr Durchschnittswerte, Verteilungen und eine Risikobewertung. Auch hier muss also der Weihnachtsmann nach Erfahrungswerten entscheiden, ob er Fichte, Tanne oder doch ein Plastikbäumchen aufstellen soll.

Weihnachtsstress: Stimmungen statt harter Daten

„Weihnachtsstress“ ist ein ebenfalls beliebtes Medienthema in der „besinnlichen Jahreszeit“. Ein Gesundheitsportal warnt gar vor weihnachtsbedingten Herzinfarkten und Todesfällen („Christmas Coronary Effect"). Zumindest sagen das die zitierten Experten, liefern aber keine Daten dazu. Eine Civey-Umfrage meldet, Kinder seien mit dem „emotionalen Stress“ überfordert, wieder mit einem selbst selektierten Online-Panel. Vorsorglich empfiehlt Super Chill, der Auftraggeber der Studie, seine Achtsamkeits-App für Kinder. Befragt wurden allerdings die Eltern, nicht deren Kinder, und „Überforderung“ bleibt ein vager Begriff, da validierte Messinstrumente fehlen. Schließlich wurden die Teilnehmer drei Monate vor Weihnachten befragt, sodass eher Stresserwartungen erhoben wurden statt der tatsächlichen Belastung.

Menschen mit Kindern sind an Weihnachten stärker gestresst als Kinderlose, behauptet eine andere Civey-Umfrage. Beim genaueren Hinschauen muss der Weihnachtsmann aber feststellen, dass Eltern lediglich zwei bestimmte Gründe für Stress und Ärger häufiger angeben. In einer Grafik werden die Prozentzahlen dafür auch noch addiert, was bei Mehrfachantworten ziemlich unsinnig ist, aber die Zahlen zumindest möglichst dramatisch „verpackt“ – eindrucksvoller hätte es der Weihnachtsmann auch nicht geschafft. Dass Weihnachtsstress existiert, weiß niemand besser als er, der sich darum kümmern muss, dass alle andern möglichst wenig davon haben. Schön wäre, wenn er wüsste, wodurch der Stress verursacht wird, wie stark er ist und was dagegen hilft. Eine Studienbasis, die Ursache-Wirkungs-Beziehungen methodisch sauber untersucht, bleibt aber auch dieses Jahr auf seinem Zettel der unerfüllten Weihnachtswünsche.

Was der Weihnachtsmann wirklich bräuchte

Unsere unstatistische Weihnachtsgeschichte zeigt: Will der Weihnachtsmann evidenzbasiert handeln, braucht er weitaus bessere Datengrundlagen. Repräsentative Stichproben, geeignete Studiendesigns, sinnvolle Operationalisierungen, validierte Instrumente: All das fehlt meist.

Gute Daten sind eben wie hochwertige Geschenke: Man muss sich viele Gedanken über die Zielgruppe machen, sorgfältig planen, Zeit und oft auch Geld investieren – und in Kauf nehmen, dass am Ende doch nicht die Begeisterung erzeugt wird, die man sich selbst gewünscht hat. Trotzdem schenken wir jedes Jahr aufs Neue, um unsere Liebsten ein bisschen glücklicher zu machen. Und genauso werden wir Unstatistiker uns auch im kommenden Jahr bemühen, einmal im Monat ein wenig kritisches Denken zu verschenken, um Sie, unsere Leser, ein bisschen kompetenter im Umgang mit Daten und Statistik zu machen.

wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Katharina Schüller, E-Mail
Prof. Dr. Thomas K. Bauer, E-Mail

Originalpublikation:
https://www.rwi-essen.de/presse/wissenschaftskommunikation/unstatistik/detail/unstatistik-des-monats-wenn-der-weihnachtsmann-evidenzbasiert-entscheiden-muesste

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