(openPR) Frage: Herr Brüggemann, wie haben sich aus Ihrer Sicht die Kaufgewohnheiten der Konsumenten in den vergangenen Jahren verändert?
Joosten Brüggemann: Durch die Corona-Zeit und die wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine – insbesondere Inflation und Preissteigerungen – haben sich die Kaufgewohnheiten stark verschoben. Früher standen Markenartikel im Fokus der Kaufentscheidungen, während Handelsmarken eher als zweite Wahl galten. Der Griff zur Handels- oder Preiseinstiegsmarke erfolgte anfangs meist aus Spargründen, hat sich aber inzwischen zu einer festen Gewohnheit entwickelt. Mit jedem weiteren Kauf wird diese Gewohnheit stabiler – und es wird für die Herstellermarken immer schwieriger, sie wieder aufzubrechen. Die Gesellschaft für Konsumforschung hat festgestellt, dass Marken es schwer haben, Marktanteile zurückzugewinnen, wenn ein Konsument eine Handelsmarke dreimal hintereinander gekauft hat.
Frage: Bedeutet das, dass Markenartikel künftig kaum noch Chancen haben, verloren gegangene Kunden zurückzugewinnen?
Joosten Brüggemann: Ganz so pessimistisch sehe ich es nicht, aber die Marken müssen neue Wege gehen. Wenn der Kauf einer Handelsmarke nicht mehr hinterfragt wird und der Sparanreiz wegfällt, dann braucht es neue Impulse, um wieder relevant zu werden. Marken müssen emotionale, wertorientierte Anknüpfungspunkte schaffen – und nicht nur über den Preis kommunizieren.
Frage: Welche Werte spielen dabei eine Rolle?
Joosten Brüggemann: Heute zählen für viele Verbraucher, besonders für die junge Generation, Werte wie Nachhaltigkeit, Verantwortung und Individualität. Große, traditionelle Marken tun sich oft schwer damit, weil sie stark auf Effizienz und Massenproduktion setzen – Eigenschaften, die nicht mehr zeitgemäß wirken. Kleine, innovative Marken und Start-ups treffen den Zeitgeist besser. Interessanterweise sind Konsumenten bereit, für solche Werte auch mehr zu bezahlen.
Frage: Und wie reagiert der Handel auf diese Entwicklung?
Joosten Brüggemann: Der Handel hat das längst erkannt und nutzt die Chance, sein Sortiment und das eigene Markenimage zu profilieren. Ein gutes Beispiel sind Fleisch- und Milchersatzprodukte – die werden heute sofort auch als Handelsmarke angeboten. Aldi wurde etwa für das beste vegane Sortiment ausgezeichnet, unter anderem für seine Eigenmarke MyVay.
Frage: Können Sie weitere Beispiele nennen, wie der Handel Eigenmarken weiterentwickelt?
Joosten Brüggemann: Ja, etwa Rewe: Dort geht man mit der neuen Eigenmarke Geheimzutat in Kooperation mit Tim Mälzer einen Schritt weiter. Das ist ein neues Eigenmarkenlevel – nicht nur, weil ein prominenter Koch beteiligt ist, das gab es ja schon bei Lidl mit Sansibar Deluxe oder Edeka mit Otto Waalkes. Entscheidend ist hier die stimmige Produktwelt, innovative Rezepturen und ein Markenauftritt, der dem eines klassischen Markenartiklers in nichts nachsteht.
Frage: Also werden Handelsmarken immer „markenähnlicher“?
Joosten Brüggemann: Genau. In den Basissortimenten, also bei Preiseinstiegs- und Mittelmarken, sehen wir außerdem eine zunehmende Emotionalisierung. Edeka zeigt das sehr schön mit der Weiterentwicklung der Mittelpreismarke Herzstücke, die stärker auf Nahbarkeit und emotionale Bindung setzt. Insgesamt geht es darum, eine Beziehungsebene zwischen Marke und Verbrauchern aufzubauen – das gilt für Handelsmarken genauso wie für Herstellermarken.
Joosten Brüggemann, Geschäftsführer der Agentur Trade Marketeers Branding & Packaging. Zuvor langjähriger Marketingleiter und Geschäftsführer der Bünting-Gruppe












