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Warum sollte Daimler im sog. Abgasskandal nicht haften?

07.08.202011:07 UhrPolitik, Recht & Gesellschaft

(openPR) Auch wenn es inzwischen einige landgerichtliche Entscheidungen - vorwiegend des LG Stuttgart - gibt, in denen Daimler zur Zahlung von Schadensersatz an Erwerber "abgasoptimierter" Dieselfahrzeuge (meist mit dem Motor OM 651) verurteilt wurde, ist nicht zu leugnen, dass sich die Oberlandesgerichte mit einer Verurteilung von Daimler bislang schwer tun. Das gilt selbst in Fällen, in denen solche Fahrzeuge vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) wegen des Vorhandenseins einer illegalen Abschalteinrichtung zurückgerufen und von Daimler "nachgebessert" werden mussten. Im Oktober will sich bekanntlich erstmals der BGH mit dem Thema beschäftigen.



Im Unterschied zu den Volkswagenfällen, in denen der BGH bereits am 25.05.2020 Schadensersatzansprüche gegenüber VW bejaht hat, vertreten die Oberlandesgerichte im Fall Daimler bislang nahezu einheitlich die Auffassung, es läge keine Schädigung der Erwerber vor, weil Daimler im Gegensatz zu Volkswagen in seinen Motoren keine illegale Software verbaut habe, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet, sondern Maßnahmen ergriffen habe (etwa den Einsatz eines sog. "Thermofensters"), bei denen die Sach- und Rechtslage unklar sei (Motorschutz?), so dass man Daimler nicht den Vorwurf einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung machen könne.

Ich halte diese Argumentation aus folgenden Gründen für und falsch und neben der Sache liegend:

Nach den Verkaufsunterlagen von Daimler und der von Daimler für die Fahrzeuge jeweils erteilten EG-Übereinstimmungsbescheinigung sollten die betroffenen Fahrzeuge einen sehr geringen Verbrauch haben, die Grenzwerte der Abgasnorm Euro 5 einhalten und jederzeit uneingeschränkt zulassungsfähig sein.

Tatsächlich werden bei den betroffenen Fahrzeugen jedoch die Stickoxid-Grenzwerte im Straßenverkehr unter normalen Betriebsbedingungen um ein Vielfaches überschritten, da die Steuerung des Motors OM 651 von Daimler bewusst so konzipiert wurde, dass die gesetzlichen Grenzwerte nur in einem sehr engen Temperaturbereich eingehalten werden, wie sie im Grunde nur auf dem Prüfstand herrschen.

Da die Euro 5 Grenzwerte jedoch nicht nur auf dem Prüfstand, sondern vor allem im realen Straßenverkehr einzuhalten sind (siehe dazu u. a. den Beschluss des BGH vom 08.01.2019, VIII ZR 225/17 sowie das Urteil des Europäischen Gerichts vom 13.12.2018, Az. T-339/16), mussten/müssen all diese Fahrzeuge jetzt zur Erlangung der allgemeinen Betriebserlaubnis von Daimler entweder "freiwillig" oder auf Anordnung des KBA zurückgerufen und unter Aufsicht des KBA durch Anpassung der Motorsteuerungssoftware „nachgebessert“ werden, was nicht selten zu Lasten eines erhöhten Kraftstoff- und/oder Ad-Blue Verbrauchs geht. Ansonsten droht den Fahrzeugen die Stilllegung.

Unabhängig davon, ob die Motorsteuerungssoftware der betroffenen Fahrzeuge als illegale Abschalteinrichtung zu qualifizieren ist oder nicht, waren daher die Zusicherungen von Daimler in Bezug auf wesentliche Eigenschaften der betroffenen Fahrzeuge falsch, denn weder hielten diese Fahrzeuge die Euro 5-Werte ein, noch bestand für diese Fahrzeuge eine jederzeit uneingeschränkte Zulassung/Betriebserlaubnis.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat außerdem bekanntlich in Zusammenhang mit der Entwicklung des Motors OM 651 gegen Daimler wegen fahrlässiger Verletzung der Aufsichtspflicht ein Bußgeld in Höhe von 870 Mio. Euro verhängt, welches von Daimler akzeptiert wurde. Wenn Daimler aber bei der Entwicklung des Motors seinen Aufsichtspflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist, wie konnte Daimler dann wissen und als sicher hinstellen, dass die vertriebenen Fahrzeuge sämtliche umwelt- und steuerlich relevanten Abgaswerte einhalten und über eine jederzeit uneingeschränkte Zulassung/Betriebserlaubnis verfügen?

Daimler hat daher meines Erachtens wider besseres Wissen, zumindest aber ohne tatsächliche Grundlage einfach ins Blaue hinein gegenüber Millionen von Erwerbern wesentliche, nicht vorhandene Eigenschaften der Fahrzeuge vorgespiegelt und dabei gleichzeitig den Anschein erweckt, als könne man sich auf diese Angaben verlassen.

Die Erwerber wurden somit von Daimler arglistig und aus rücksichtslosem Gewinnstreben getäuscht (siehe dazu u. a. BGH, Urteil vom 07.06.2006, VIII ZR 209/05), wodurch zugleich das Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit erfüllt ist (siehe dazu auch BGH, Urteil vom 19.11.2013, VI ZR 336/12).

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