(openPR) Der gemeinsame Kartendienst HERE ist für Audi, BMW und Daimler die Chance auf Relevanz in der vernetzten Welt. Allerdings sind sie dabei, das Rennen zu verlieren, denn Apple, Google und Microsoft sind bereits im Auto.
Die Geschichte von HERE begann vielversprechend im Jahr 1985 als Navteq. Das Unternehmen bot eine elektronische Straßenauskunft an – lokal und auf dem Postweg. In den 90er Jahren erstellte Navteq eine elektronische Datenbank für Kartenmaterial. Ab 2008 gehörte Navteq zu Nokia, wurde in HERE umbenannt und entwickelte eine Navigations-App. Sie bot Turn-by-Turn-Navigation mit offline-Karten und war eines der wenigen Alleinstellungsmerkmale von Nokias Windows Phones. Seit 2012 ist die App auch für Apple iOS und Android verfügbar.
2015 kauften Audi, BMW und Daimler gemeinsam HERE. Damit verfügen die Autobauer über eigenes Kartenmaterial, unabhängig von Google Maps. Dies ist insbesondere für autonomes Fahren wichtig. Lange war China ein weißer Fleck auf der Landkarte, da in der Volksrepublik nur einheimische Unternehmen lokales Kartenmaterial vertreiben dürfen. Daher wurden 2016 die chinesischen Unternehmen Tencent und Navinfo sowie der singapurische Staatsfonds GIC mit insgesamt zehn Prozent beteiligt. 2017 steigt Intel als Technologiepartner mit 15 Prozent ein.
Augenscheinlich ist HERE gut aufgestellt: Als offene Plattform steht es auch Entwicklern aus anderen Branchen offen. Um HERE aber als Standard für die Automobilindustrie noch besser zu etablieren, müssen zügig weitere Hersteller gewonnen werden. Intel ist ein potentes Hardware-Unternehmen. Der Technologieführer bei Fahrerassistenzsystemen ist aber das israelische Unternehmen Mobileye, das nicht Teil des Konsortiums ist. Auch ist offen, ob das begrenzte finanzielle Engagement von Tencent und Navinfo ausreicht, um HERE eine strategische Position auf dem chinesischen Markt zu eröffnen.
Mit zunehmender Digitalisierung des Alltags steht die Automobilindustrie vor einer existenziellen Herausforderung: Die neuen Schlachtfelder sind Daten, Vernetzung und Cloud und nicht mehr Stückzahlen oder mechanische Höchstleistungen. Beim Besetzen neuer Märkte ist die Geschwindigkeit entscheidend und nicht der Reifegrad der Lösung. Die Kunden erwarten vernetzte Produkte, die sofort einen Mehrwert für ihren Alltag bieten und nicht komplexe Gesamtlösungen mit ungewissem Marktstart.
Softwareunternehmen wie Apple, Google und Microsoft drängen mit Macht ins Auto und versuchen sich zwischen die Hersteller und ihre Kunden zu schieben. Diese haben den Amerikanern die Fahrertüre bereits weit geöffnet. Microsofts automobiles Betriebssystem Windows Embedded Automotive wird von Ford, Fiat, Kia und Nissan eingesetzt. BMW präsentierte kürzlich Microsofts persönlichen Assistenten Cortana in einem Fahrzeug der 5er-Reihe. Volvo bietet Skype im Auto an. Apple CarPlay und Android Auto sind vordergründig Erweiterungen der Smartphones in das Fahrzeug. Design und Bedienung sind Apple beziehungsweise Google-typisch und unabhängig vom Autohersteller. Sie erfüllen den Kundenwunsch nach zunehmender Vernetzung. Dabei sind sie aber trojanische Pferde, die sich mit jedem Softwareupdate weiter im Auto ausbreiten.
Diese Taktik war bereits in der Vergangenheit erfolgreich: Apples iTunes wurde ursprünglich als iPod-Verwaltung vermarktet. Es hat sich aber zügig als Mediencenter auf Windows-Rechnern etabliert und entscheidend zur Akzeptanz von Apple bei Microsoft-Anwendern beigetragen. Google nutzte geschickt seine Dominanz bei der Internetsuche und ist mittlerweile mit Android führend bei Smartphones sowie mit Chrome der weltgrößte Browser-Anbieter.
Die einzelnen Automobilhersteller können der neuen digitalen Bedrohung alleine nur schwer begegnen. Es fehlt ihnen schlicht an Infrastruktur, Reichweite und finanziellen Mitteln. HERE kann eine wesentliche Rolle übernehmen, wenn es gelingt, das Gemeinschaftsunternehmen als zentrale Plattform für Mobilität zu positionieren. Dabei fällt der hauseigenen, fahrzeugunabhängigen App HERE WeGo eine Schlüsselrolle zu. Bislang ist sie bei Apple und Android-Nutzern aber kaum bekannt. Viele im Fahrzeug verfügbaren Dienste, wie die personalintensiven Concierge Services der Hersteller, sind nicht in die App integriert. Es fehlen hochwertige Dienste, die dem Nutzer neben der reinen Navigation einen Mehrwert bieten. So bucht die App derzeit keine Bahn- und Flugtickets, zahlt keine U-Bahn-Tickets oder Parkgebühren und reserviert keine Kinokarten oder Hotelzimmer. Sie verwaltet weder den Kalender der Nutzer noch deren Kontaktdaten. Dies alles können die persönlichen Assistenten von Apple (Siri), Google (Google Now) und Microsoft (Cortana) bereits heute oder mit dem nächsten Update. Und sehr bald können sie das wohl auch direkt auf dem zentralen Monitor im Armaturenbrett.
Audi, BMW und Daimler haben mit HERE die Chance, ihre Zukunft weiter selbst aktiv zu gestalten. Allerdings verfolgen sie keine gemeinsame Strategie. Sie investieren parallel und unabhängig in Internet-Startups und bauen deckungsgleiche, kostenintensive Dienste wie Concierge Services oder Carsharing (Car2Go, DriveNow) auf. Dabei vergessen sie, dass Google & Co bereits heute über einen direkten Zugang zu den Kunden, nahezu unbegrenzte finanzielle Mittel und einen langen Atem verfügen. HERE könnte den Autobauern helfen, langfristig ihre Kunden direkt an sich zu binden. Schaffen können sie das aber nur gemeinsam.
745 Wörter, 5470 Zeichen










