(openPR) Verfahren zur einheitlichen Bemessung des Pflegepersonalbedarfs in Pflegeeinrichtungen muss schnellstmöglich eingeführt werden.
Insoweit gibt es keine Erkenntnisprobleme. Es fehlte bislang allein der politische Gestaltungswille
Werner Schell, Vorstand von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk, erklärt zur geplanten Einführung eines § 113c im SGB XI:
Seit mindestens 20 Jahren wird von hier auf die Erfordernisse von Personalbemessungssystemen für die Pflege in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern aufmerksam gemacht. Diesbezügliche Forderungen wurden folgerichtig auch immer wieder von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk formuliert und u.a. an das Bundesgesundheitsministerium bzw. die Abgeordneten des Deutschen Bundestages herangetragen.
Es ist zu begrüßen, wenn diese Forderungen nun auch von anderen Institutionen, Einzelpersonen und den politisch Verantwortlichen aufgegriffen und unterstützt werden.
Im hiesigen Statement vom 13.5.2014, dem Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe beim Neusser Pflegetreff übergeben, sind die Erfordernisse zur Auflösung des Pflegenotstandes und zur Gestaltung einer einheitlichen und angemessenen Personalbemessung umfänglich näher beschrieben und begründet:
> http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/Pressemitteilungen/PflegereformGroKo_Erfordernisse2014.pdf
Nun sieht die Gesetzesinitiative der Bundesregierung für ein Pflegestärkungsgesetz (PSG) II in einem geplanten § 113c SGB XI die Schaffung eines wissenschaftlich fundierten Verfahren zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen vor. Allerdings soll erst einmal ein Expertengremium ein solches Verfahren bis zum Jahre 2020 entwickeln und erproben. Erst danach wird politisch zu entscheiden sein, ob und inwieweit irgendwelche Personalbemessungserkenntnisse umzusetzen sind. Die eigentliche Problemlösung ist damit auf den „Sankt Nimmerleinstag“ verschoben.
Die jetzt gefundene Regelung ist völlig inakzeptabel, weil die Pflegeeinrichtungen schon seit langer Zeit deutliche Personalaufstockungen benötigen und Verzögerungen anhand der insoweit vorliegenden Erkenntnisse keine Lösung sein können. Man darf mutmaßen, dass die Handlungsgebote grundsätzlich erkannt worden sind, aber kein politischer Wille besteht, schnellstmöglich im Interesse der pflegebedürftigen Menschen und der professionell Pflegenden zu handeln.
Wenn erklärt werden sollte, mehr Pflegekräfte seien zur Zeit nicht finanzierbar, ergibt sich: Das PSG I und das geplante PSG II sieht vielfältige Leistungsausweitungen vor, zum Teil mehr als kompliziert gestaltet und auch nicht immer vordringlich. Zwingend geboten ist aber auf jeden Fall, diejenigen pflegebedürftigen Menschen stärker zu unterstützen, die sich aufgrund der Schwere ihrer Beeinträchtigungen in stationären Einrichtungen befinden. Und das ist nur mit Regelungen möglich, die eine deutliche Aufstockung des Pflegepersonals ermöglichen. Die Finanzierung von niedrigschwellig qualifizierten Betreuungskräften hat in diesem Zusammenhang nachrangige Bedeutung. Diese Betreuungskräfte können gerne zusätzlich bewilligt werden, Vorrang muss aber den Pflegekräften eingeräumt werden! – Und das ist alternativlos.
Helmut Wallrafen-Dreisow, Geschäftsführer der Sozial-Holding in Mönchengladbach kritisiert die gefundenen Regelungen und formuliert deutlich "Ich bin maßlos enttäuscht - die Ergebnisse sind erschütternd" (Quelle: Zeitschrift "CAREkonkret" vom 21.08.2015).
"Dass der Arbeitsalltag in der Pflege seit langem von großer Belastung, Zeitdruck und wenig motivierenden Bedingungen geprägt ist, wissen die politisch Verantwortlichen sehr wohl. Die deutsche Pflegezukunft wird düster werden, wenn hier nicht schnellstens – und spürbar – eine Verbesserung herbeigeführt wird" (Quelle: Presseinfo des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe e.V. - DBfK - vom 14.07.2015). In einer ergänzenden Pressemitteilung des DBfK vom 12.08.2015 wird herausgestellt, dass die geplante Erprobungsregelung in § 113c SGB XI zu spät greifen wird. Daher sei rasch ein Zwischenschritt erforderlich. Durch weniger Teilzeitarbeit und Rückkehrer in den Beruf ließen sich jetzt über Nacht zehntausende Stellen besetzen.
Diesen Anmerkungen kann sich Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk nur uneingeschränkt anschließen.
Die verantwortlichen Entscheidungsträger werden daher erneut aufgefordert, die vorliegenden Erkenntnisse hinsichtlich des Pflegenotstandes so im PSG II umzusetzen, dass spätestens 2016 bzw. 2017 im gesamten Bundesgebiet deutlich verbesserte einheitliche Stellenschlüssel die Basis für gute Pflegeangebote in den Einrichtungen sein können, und zwar ohne regionale Unterschiede. Dies könnte als Zwischenlösung gestaltet werden, so dass die angestrebte Erprobungsregelung in aller Ruhe abgewartet und umgesetzt werden kann.
Unabhängig von der jetzt in Aussicht genommenen Personalbemessung für die Pflegeeinrichtungen sind natürlich auch entsprechende Regelungen für die Pflege in den Krankenhäusern geboten. Notfallmäßig geschaffene Pflegestellenprogramme helfen insoweit nicht weiter.
Werner Schell,
Vorstand von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk und Dozent für Pflegerecht